Museale Lernorte

Museale Lernorte

Außerschulisches Lernen mit Realitätsbezug, Entdecken, bewusstes Wahrnehmen, fächerverbindenden Unterricht – diese Möglichkeiten bieten museale Lernorte

Neben den klassischen Museumsaufgaben, wie Sammeln, Bewahren, Forschen und Informieren, gewinnt die Bildungs- und Vermittlungsarbeit an immer größerer Bedeutung. Sie gestaltet an musealen Lernorten den Dialog zwischen Besuchern, Objekten und Inhalten der Ausstellungen. Heutzutage ist die Vermittlungsarbeit integraler Bestandteil der Institution Museum und bietet für die Zielgruppe Schulklassen ein außerschulisches Lernen. Dieses außerschulische Lernen ermöglicht in der Realität gewonnene, persönliche und unmittelbare Erfahrungen, die im traditionellen Klassenraum nicht realisierbar wären. Es basiert auf Originalbegegnungen, auf direktem Kontakt mit Mitmenschen oder Objekten. Den Schülern soll eine „Brücke“ gebaut werden, um eine Beziehung zum Objekt oder historischen Ort aufbauen zu können.

Unterstützt werden die Lernprozesse oft durch aktivierende Ausstellungselemente und Vermittlungsprogramme, welche die Schüler zum selbständigen Erforschen, Erkunden oder Gestalten auffordern. Das so angeeignete Wissen wird meistens besser verstanden und „abgespeichert“. Die Dauer derartiger Angebote für Schulklassen reicht von ca. einer Stunde bis zu ganzen Projekttagen.
Um einen Besuch eines musealen Lernortes mit der Schulklasse in der Schule auf geeignete Weise vor- und nachzubereiten, bieten viele Einrichtungen zusätzlich Lehrerfortbildungen an.

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Zu musealen Lernorten zählen klassische Museen und Freilichtmuseen, ebenso wie Gedenkstätten, Welterbestätten, Industriedenkmäler oder historische Bauten und Orte.

In Deutschland gibt es ca. 6.800 Museen mit jährlich rund 114 Millionen Besuchern und 470 Ausstellungshäuser mit jährlich rund 6,2 Millionen Besuchern.

Eines der meistbesuchten Museen in Deutschland, mit jährlich etwa 1,5 Millionen Besuchern, ist das Deutsche Museum in München. Das 1903 gegründete Museum gehört aufgrund seiner kostbaren Sammlung wertvoller Objekte sowie aufgrund seiner 66.000 Quadratmeter umfassenden Ausstellungsfläche zu den bedeutendsten und größten Wissenschafts- und Technikmuseen der Welt.

Neben dem Stammhaus auf der Museumsinsel sind drei Außenstellen vorhanden: das Verkehrszentrum in München; die Flugwerft in Oberschleißheim; und das Deutsche Museum Bonn.
Präsentiert werden den Besuchern rund 50 Themengebiete, wie beispielsweise Astrophysik, Agrar- und Lebensmitteltechnik, Astronomie, Chemie, Foto und Film, Luft- und Raumfahrt, Meeresforschung, Physik, Schifffahrt, Telekommunikation, Zeitmessung und Zellbiologie. Auch finden Live-Experimente statt. Ausgestellt sind etwa 30.000 Exponate.

Vorführung mit Stickstoff im Deutschen Museum

Foto: Vorführung mit Stickstoff, © Deutsches Museum

Für den Besuch mit der Schulklasse gibt es im Museum spezielle Angebote in verschiedenen Fachrichtungen und für unterschiedliche Klassenstufen, darunter Führungen, Vorbereitungs- und Begleitmaterial zum selbstständigen Entdecken, Workshops in der Experimentier-Werkstatt sowie Experimentieren im DNA-Besucherlabor.

Auch Schlösser, Burgen, Klöster oder andere historische Bauten zählen zu musealen Lernorten und sind oft selbst das wichtigste „Ausstellungsstück“.

Ein bisschen anders verhält es sich bei einem in Deutschland einmaligen Projekt. Gemeint ist damit die Klosterbaustelle „Campus Galli“ in der Nähe der Kleinstadt Meßkirch in Baden-Württemberg, rund 30 Kilometer nördlich vom Bodensee.
Dieses Projekt beinhaltet den Nachbau der Klosterstadt St. Gallen auf Basis des Original-Bauplanes aus dem 9. Jahrhundert. Der weltberühmte St. Galler Klosterplan, gezeichnet vor 1.200 Jahren, ist die früheste Darstellung eines Klosterbezirks aus dem Mittelalter. Er zeigt die ideale Gestaltung einer Klosteranlage zur Karolingerzeit.
Nur durch zeitgenössische Arbeitstechniken, mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts, entsteht auf einem 24 Hektar großen Grundstück eine Klosterstadt mit Kirchen und Wirtschaftsgebäuden. Seit 2013 ist die Mittelalterbaustelle, mit einer geplanten Gesamtbauzeit von 40 Jahren, für Besucher geöffnet. Dabei handelt es sich um einen Ort zum Anfassen und Mitmachen – um eine Mischung aus Abenteuerspielplatz, Mittelalterschauspiel und Freilichtmuseum.
Schulklassen können hier das Mittelalter hautnah erleben. Außer den gebotenen Führungen und Tagesprogrammen für Schüler, sind auch individuelle, mehrtägige oder maßgeschneiderte Projekte möglich.

Dem wohl traurigsten Kapitel deutscher Geschichte widmen sich Gedenkstätten, welche an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Es sind Einrichtungen, die den aktuellen Stand der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus beziehungsweise dem KZ-System dokumentieren.

Auf dem Ettersberg bei Weimar in Thüringen wurde 1937 das Konzentrationslager Buchenwald errichtet. Von 1937 bis 1945 waren insgesamt über 250.000 Menschen im KZ auf dem Ettersberg und seinen 136 Außenlagern inhaftiert. Davon starben über 56.000 Menschen an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung. Über 8.000 sowjetische Kriegsgefangene wurden in einer eigens errichteten Tötungsanlage erschossen. Im April 1945 erreichen die Amerikaner Buchenwald und seine Außenlager, welches am Ende des Krieges das größte KZ auf deutschem Boden war.
Seit 1958 gibt es hier auf dem Gelände des ehemaligen Lagers die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald. Eine Neugestaltung der Gedenkstätte, welche in verschiedenen Ausstellungen über die Geschichte des Konzentrationslagers informiert, erfolgte ab 1990.
Die pädagogische Abteilung der Gedenkstätte bietet Führungen in verschiedenen Sprachen und – in Zusammenarbeit mit der angegliederten Jugendbegegnungsstätte – auch ganztägige und mehrtägige Veranstaltungen sowie Workshops. Das Betreuungsangebot für Gruppen richtet sich vorrangig an Schulklassen ab 9. Klasse, Jugendgruppen und junge Erwachsene, die im Rahmen des Schulunterrichts oder der politischen Bildung ihren Gedenkstättenbesuch vorbereitet haben.

Industriedenkmäler sind oft unter Denkmalschutz stehende Industrieanlagen und Zeugnisse vergangener Kulturgeschichte. Als technische Denkmale sollen sie vor allem die Erinnerung an die Geschichte der Industrie im 19. und 20. Jahrhundert wachhalten.

Um ein imposantes Industriedenkmal handelt es sich beim „Besucherbergwerk Abraumförderbrücke F60“. Dieser Gigant der Technik befindet sich in Südbrandenburg, am Bergheider See, nahe von Lichterfeld.
Die hier ausgestellte ehemalige Abraumförderbrücke F60 war eine der ehemals größten beweglichen Arbeitsmaschinen der Welt und wurde von 1991 bis 1992 im Braunkohletagebau Klettwitz-Nord eingesetzt. Sie ist 502 Meter lang, 204 Meter breit, 80 Meter hoch und 11.000 Tonnen schwer. Aufgrund der Maße und der vergleichbaren Konstruktion wird die Förderbrücke auch als liegender Eiffelturm der Lausitz bezeichnet.
Besucher können den Stahlgiganten auf einem ca. 90-minütigen Rundgang kennenlernen. Auf sicher ausgebauten Wegen geht es mit dem Besucherführer bis in luftige 74 Meter Höhe. Dabei eröffnen sich den Besuchern nicht nur beeindruckende Weitblicke über die Landschaft im Wandel, sondern sie gewinnen auch einen unmittelbaren Eindruck von der meisterhaften Konstruktion sowie der Ingenieurskunst der Brückenerbauer.
Für Schulklassen gibt es ein Bildungsprogramm zu den Themen Braunkohle, Tagebau und Regionalgeschichte, zusätzlich frei wählbare Bausteine zu weiteren Themen und nach Absprache auch thematische Sonderführungen. Die Schulklassenprogramme sind inklusive Verpflegung.

In einem Freilichtmuseum sind Sammlungen von Baudenkmälern zu sehen, welche am Originalstandort erhalten, umgesetzt oder rekonstruiert wurden. Vorzugsweise zeigen Freilichtmuseen Gebäude und Anlagen vergangener Zeiten und bieten damit einen Eindruck damaliger Bau- oder Lebensweisen.

Deutschlands größtes archäologisches Freilichtmuseum befindet sich bei Xanten in Nordrhein-Westfalen: der Archäologische Park Xanten.
Der Park liegt über der früheren Colonia Ulpia Traiana. Dabei handelt es sich um eine der bedeutendsten römischen Siedlungen in Deutschland. Im Jahr 1977 wurde der archäologische Park eröffnet und seitdem wiederholt erweitert – es wird ständig gegraben, um die Bodendenkmäler zu erfassen und zu erforschen. Einige römische Gebäude sind rekonstruiert oder zumindest teilweise nachgebaut worden. Tore und Tempel, das Amphitheater, Wohnräume, Werkstätten und das Badehaus gibt es als begehbare Modelle in Originalgröße.
Auch das Regionalmuseum Xanten, welches sich lange Zeit in der Innenstadt von Xanten befand, ist auf dem Gelände zu finden. Es wurde in den Schutzbau der Thermen integriert und 2008 als Römer-Museum Xanten eröffnet. Gezeigt werden Exponate aus der lokalen sowie regionalen Römergeschichte.

Archäologischer Park Xanten - Schutzbau über den großen Thermen

Foto: Schutzbau über den großen Thermen, © Axel Thünker, Archäologischer Park Xanten

Ein umfangreiches Angebot an Führungen und Programmen zum Mitmachen bietet Schulklassen die Gelegenheit, im archäologischen Park eine anschauliche Vorstellung vom einstigen römischen Leben zu erhalten. Darüber hinaus können Schulklassen spezielle Programme nutzen, wie beispielsweise zu römischer Mathematik oder Malen und Farben in der Antike.

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Zum Welterbe in Deutschland zählen 44 UNESCO-Welterbestätten: 41 Stätten des Weltkulturerbes und 3 Stätten des Weltnaturerbes. Sechs dieser Stätten sind grenzüberschreitend oder transnational.

Seit 2018 gehört Haithabu, eine Siedlung dänischer Wikinger, zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die seit über neun Jahrhunderten verlassene Siedlung ist mit dem dazu gehörenden, 30 Kilometer langen Verteidigungswall Danewerk das bedeutendste archäologische Bodendenkmal in Schleswig-Holstein. Das Gelände befindet sich vor den Toren der Stadt Schleswig.
Haithabu, um 770 gegründet und 1066 endgültig zerstört, ist wegen der reichen archäologischen Funde – wie zum Beispiel Gräber, Runensteine, Perlen, Werkzeug, Keramik und Goldschmuck – ein beispielhaftes Zeugnis der Wikingerzeit.
Der Ort war mit zeitweise bis zu 2.000 Bewohnern einer der wichtigsten mittelalterlichen Siedlungsplätze in Nordeuropa. Im Jahr 1897 wurde die Siedlung wiederentdeckt und erste Ausgrabungen erfolgten ab 1900. Bei mehreren Grabungskampagnen wurde eine der wohl größten Wikinger-Siedlungen weltweit freigelegt. Bis heute ist jedoch nur ein geringer Teil Haithabus ausgegraben. In den Jahren 1979/1980 brachte eine große Hafengrabung unter anderem die Überreste eines königlichen Kriegsschiffs hervor.
Schulklassen können sich diesen Ort, mit rekonstruierten Häusern, und das moderne Ausstellunghaus im Rahmen verschiedener Angebote, wie Führungen und Erlebnisprogramme, erschließen.

Autorin: © Katrin Mickel | Freie Texterin | www.katrin-mickel.de

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