Spielerischer Umgang mit Phänomenen
Das phaeno in Wolfsburg (Niedersachsen) ist eine Experimentierlandschaft, die Zugang zu den Phänomenen der Naturwissenschaft und den Prinzipien der Technik schafft
Mithilfe von Gedankenkraft der Kälte trotzen, sich endlos spiegeln, den eigenen Schatten einfrieren, DNA analysieren, den über sechs Meter großen Feuertornado bewundern, auf einem fliegenden Teppich schweben, die Bewegung von Wellen simulieren, das Entstehen eines Geysirs beobachten, Klänge durch Wärme erzeugen, freitragende Brücken bauen und wieder einstürzen lassen, einen Verkehrsstau simulieren, die eigene Reaktionsgeschwindigkeit testen, die Schwerelosigkeit erleben – das und Vieles mehr können Besucher im phaeno erleben – der Experimentierlandschaft in Wolfsburg, in Niedersachsen.
Das Science Center ist eine Initiative der Stadt Wolfsburg. Vom Konzeptbeschluss im Jahr 1999 bis zur Fertigstellung im Jahr 2005 hat die Stadt insgesamt rund 80 Millionen Euro in dieses Projekt investiert.
Auf einer Fläche von 9.000 Quadratmetern wurde hier ein spielerischer und unterhaltsamer Zugang zu den Phänomenen der Naturwissenschaft und Technik geschaffen, wobei alle Angebote barrierefrei zu erreichen sind.
Man möchte die Besucher zum Erkunden und zum eigenen Experimentieren anregen. Damit das entsteht, was emotionale Interaktivität genannt wird, etwas, das nicht nur im Kopf passiert, sondern alle Sinne anspricht. „Denn es ist der ganze Mensch, der lernt und erkennt, nicht nur das Gehirn“, erklärt Michel Junge, Geschäftsführer des phaeno.
Ansicht von der Stadt aus gesehen, Foto: © phaeno, Janina Snatzke
Zu einem besonderen Gesamterlebnis wird der Besuch des Science Centers auch durch die einzigartige Architektur des Gebäudes. In vierjähriger Bauzeit entstand hier die wohl größte begehbare Skulptur Deutschlands, die, von Kegelfüßen getragen, hoch über der Straße thront. Im Innern, in sieben Meter Höhe, entfaltet sich ein bauliches Abenteuerland mit Formen, welche an Krater, Höhlen, Terrassen und Plateaus erinnern. Es wurde bei dieser avantgardistischen Architektur nicht in herkömmlichen Kategorien von Stützen, Balken und Decken gedacht, sondern es ist vielmehr eine skulpturale, plastische Form „aus einem Stück“. Nur mithilfe modernster Spezialbaustoffe, wie beispielsweise dem sogenannten „selbstverdichtenden Beton“, konnte ein internationales Team die räumlichen Vorstellungen der Londoner Architektin Zaha Hadid in gebaute Wirklichkeit umsetzen. Diese außergewöhnliche Architektur soll widerspiegeln, wie beim Menschen das Wissen strukturiert ist. Vorgeschriebene Wege gibt es nicht, die Laufrichtung bestimmt sich durch die Neugierde der Gäste.
An 350 Experimentierstationen in unterschiedlichen Themenbereichen können die Besucher entdeckend lernen sowie ihre Sinne auf die Probe stellen. Dabei geht es auch um das Lösen von Rätseln, wie zum Beispiel: Warum sieht man manche Dinge völlig anders als sie wirklich sind? Warum erzeugt das Gehirn Farben oder Formen dazu? Warum warnt es uns vor Abgründen und Kanten, die gar nicht existent sind?
Cell Lab, Foto: © phaeno, Matthias Leitzke
Überdies verfügt das Science Center über ein Biochemie-Labor und ein Labor für Physik und Technik. In den Laboren haben Schüler die Möglichkeit, Phänomene zu erforschen, die sich an den Experimentierstationen nicht darstellen lassen, weil sie für ihre Sinne zu klein, zu groß, zu langsam oder zu schnell sind. Das Wissenschaftstheater mit Platz für 205 Besucher ist ein Ort für spektakuläre Science Shows oder für Experimentalvorträge. Außerdem gibt es noch einen Show-Krater und ein Ideenforum.
Zusätzlich zur Dauerausstellung „Die Welt der Phänomene“ wurden neue Ausstellungsbereiche geschaffen, welche seit Ende November 2021 geöffnet sind. Denn man nutzte hier die Zeit des Lockdowns, um weitere Projekte auf den Weg zu bringen. Zu den neuen Angeboten gehören der Kinderbereich, für 3- bis 6-jährige Entdecker, und das Cell Lab mit 8 Experimentierstationen für selbständige Versuche in den Bereichen Zellbiologie und Biochemie. In diesem Labor geht es vor allem um die ganz winzigen Dinge, die dem bloßen Auge verborgen bleiben.
Darüber hinaus kann nun auch eine Entdecker-App genutzt werden, welche sich zur Messung physikalischer Größen eignet. Mit der App lassen sich nicht nur die zahlreichen Experimentierstationen der Ausstellung in den Unterricht einbinden, sondern sie lässt sich auch beim Experimentieren im Klassenraum oder Zuhause einsetzen. Eine Internetverbindung ist für die Verwendung der App nicht notwendig. Dieses Angebot richtet sich besonders an Schulklassen ab der Stufe 6. Im phaeno stehen für die Schüler eine begrenzte Anzahl an Leihgeräten zur Verfügung, die vor dem Besuch reserviert werden können.
Für Schulen wurde vom pädagogischen Schulteam des Hauses, gemeinsam mit Fachlehrern, ein im Rhythmus der Schulhalbjahre wechselndes Programm entwickelt. Um sicherzustellen, dass sich die Inhalte der Angebote in den naturwissenschaftlichen Schulunterricht integrieren lassen, sind diese den Lehrplänen einzelner Altersstufen und unterschiedlicher Schulformen, vom Grundschulalter bis hin zur Oberstufe, angepasst.
Magnetischer Sand, Foto: © phaeno, Janina Snatzke
Die Angebote für Schulklassen umfassen unter anderem unterschiedliche Workshops, die Experimentalvorführung „Luffffft“ – mit unterhaltsamen Experimenten über die chemischen Bestandteile der Luft und deren physikalische Eigenschaften – sowie Entdecker Touren. Bei Letzteren begeben sich die Lernenden auf eine etwa 60-minütige Tour, bei welcher sie anhand von Fragen und Aufgaben eigenständig ausgewählte Themen der Ausstellung erschließen.
„Unser Haus ist ein von den Kultusministerien in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt anerkannter außerschulischer Lernort“, freut sich Michel Junge.
Lehrer haben neben Fortbildungsange-boten auch die Möglichkeit, auf fachdidaktisch aufbereitetes Material zurückzugreifen, an vorbereitenden Veranstaltungen teilzunehmen oder den Schulausflug durch einen Vorbesuch zu planen.
„In normalen Jahren haben wir durchschnittlich 250.000 Besucher, und rund 28 Prozent davon sind Schüler“, gibt der Geschäftsführer Auskunft. „Die meisten Schüler kommen aus einem Radius von 150 Kilometern, aber es gibt auch Schulklassen aus dem ganzen Bundesgebiet, die mehrtätige Klassenfahrten nach Wolfsburg machen oder auf dem Weg nach Berlin einen Zwischenstopp bei uns einlegen.“
Umfangreiche Informationen für einen Besuch mit der Schulklasse sowie zur dessen Vorbereitung sind auf den Internetseiten des Science Centers zu finden. Für Schulklassen, die mehrere Tage in Wolfsburg verbringen möchten, besteht zwischen der Experimentierlandschaft und anderen Lernorten in Wolfsburg eine Kooperation, die als „Paket“ von einer Jugendherberge angeboten wird.
Ergänzend zur Dauerausstellung werden wechselnde Sonderausstellungen gezeigt. So wird es in der zweiten Jahreshälfte 2022 eine Sonderausstellung zum Thema „Sinneswahrnehmung“ geben – mit dem Schwerpunktthema „Sehen“, da die Umgebung hauptsächlich über das Sehen wahrgenommen wird.
phaeno gGmbH
Willy-Brandt-Platz 1
38440 Wolfsburg
Telefon 05361 – 890 100
entdecke@phaeno.de
www.phaeno.de
Autorin: © Katrin Mickel | Freie Texterin | www.katrin-mickel.de