1. Anliegen
In diesem Beitrag sollen mögliche gesundheitliche Gefährdungen durch Wassersport, wie sie auf Ausflügen und Klassenfahrten häufig
auftreten können, eruiert werden. Die Identifizierung des Risikopotentials führt meist schon zu seiner Minimierung im Sinne einer
Primärprävention. Dabei hat der Autor, der auch seit vielen Jahren als Notarzt im Einsatz ist, drei typische Gefahrensituationen
herausgegriffen, denen man häufig begegnet:
2. Fokus Nr. 1: Schnorcheln
Wer kennt nicht die typische Szene aus einem Wildwest- oder Abenteuerfilm. Um sich an feindliche Indianer oder Eingeborene
heranzuschleichen oder sich vor ihnen zu verbergen, greift der Held des Films in Urwald oder Prärie gerne zu unphysiologischen
Praktiken, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so gefährlich erscheinen mögen, in der Anwendung durch spielende Kinder aber
fatal enden können:
So schneidet der Filmheld einfach ein mindestens 1 m langes Stück Schilfrohr ab, um über dieses – manchmal bis zu seiner
unfreiwilligen Entdeckung – geschützt vor den Augen des Feindes tief genug so lange unter der Wasseroberfläche verbleiben zu können,
bis sich die Feinde verzogen haben.
Spielende Kinder können nach der Lektüre entsprechender Abenteuerbücher oder dem Konsum analoger Filme oder Comics leicht zum
Nachahmen verleitet werden, wenn sich die entsprechende Gelegenheit dazu bietet. Die beste vorbeugende Maßnahme ist die Aufklärung
über das Risiko entsprechender Aktivitäten.
Doch wodurch entsteht die Gefahr für die Gesundheit ?
Über das Atemrohr sind der Lungeninnenraum und die Luft an der Wasseroberfläche unmittelbar miteinander verbunden, so dass in der
Lunge der atmosphärische Druck (ca. 1 bar) vorherrscht. Auf der Haut des Tauchenden lastet aber neben dem Luftdruck noch zusätzlich
der Druck der Wassersäule. Nur 10 m Wassersäule üben aber nahezu den gleichen Druck aus wie das gesamte Gewicht der Lufthülle der
Erde. Dies relativiert sich in Abhängigkeit von der Entfernung zur Wasseroberfläche. Bei einer üblichen Schnorchellänge von 35 cm,
wie sie gerne von Tauchern verwendet wird, errechnet sich so ein Gesamtdruck in dieser geringen Tiefe von ca. 1,035 bar, der vom
Körper noch kompensiert wird. Trotzdem wird auch hierbei schon Blut aus den Hautgefäßen in die zentralen Kreislaufabschnitte
verschoben.
Für die Kinder lässt sich dies am besten nachvollziehen, wenn man sie auffordert, beim Eintauchen in brusthohes Wasser oder in eine
Badewanne einmal ihre Venenzeichnung an den Händen und Armen zu beobachten. Während die Venen an der Oberfläche noch gut zu erkennen
sind, verschwinden sie bei Gesunden unmittelbar mit dem Eintauchen in das Wasser.
Wird die übliche Länge eines Schnorchels von 35 cm aber überschritten, so nimmt das Druckgefälle zwischen dem Wasserdruck an der Haut
und dem Druck im Lungeninnenraum, der ja dem Druck an der Wasseroberfläche entspricht, gefährlich zu. Das Blut verlagert sich aus den
Hautvenen, die aufgrund des höheren Drucks durch die Wassersäule dann auch nicht mehr sichtbar sind, in die Kreislaufabschnitte des
Brustkorbs, wo der geringere atmosphärische Druck der Wasseroberfläche herrscht. Aufgrund der starken Blutfüllung der rechten
Herzkammer und der Lungengefäße, kann Flüssigkeit in die Lungenbläschen austreten, was von Klinikern als Lungenödem bezeichnet wird.
Gelegentlich wird für dieses Phänomen auch der Begriff des Inneren Blaukommens verwendet.
Ein weiteres Problem stellt auch die Ermüdung der Atemmuskulatur dar, die ja den Brustkorb gegen den Druck der auf ihm lastenden
Wassersäule zum Luftholen erweitern soll. In einem Meter Tiefe ist das bereits nicht mehr möglich.
Zum dritten vergrößert das Atemrohr auch den Totraum der Luftwege, was eine Reduktion der Frischluftzufuhr zu den Lungenbläschen
bewirkt. Als Folge sinkt die Sauerstoffsättigung. Das Kohlendioxid kann nicht mehr entsprechend abgeatmet werden und ein
Sauerstoffmangel des Gehirns droht.
Die Konstruktion gängiger Schnorchel beruht daher auf einer Höchstlänge von 35 cm bei einem Innendurchmesser von zwei Zentimetern.
Diese Längen dürfen unter keinen Umständen erhöht werden, sonst drohen tödliche Badeunfälle. Mit einer umfassenden Aufklärung kann
diese Gefahr jedoch weitgehend gebannt werden.
3. Fokus Nr. 2: Streckentauchen
Kinder vergleichen sich gerne im Schwimmbad, wer am längsten die Luft anhalten und damit am weitesten tauchen kann. Gerade hierdurch
drohen Gefahren, die selbst Erfahrenen zum Verhängnis werden können, wie der plötzliche Todesfall eines bekannten Meisters in dieser
Disziplin beim Solotraining vor einigen Jahren sehr eindrucksvoll belegt. Immerhin liegt der Weltrekord bei über 8 Minuten. Zeiten
über 40 Sekunden sind aber in der Regel kaum anzutreffen. Das bewusste willkürliche Atemanhalten wird in der sportmedizinischen
Fachsprache auch als Apnoe bezeichnet.
Einen besonderen Risikofaktor bildet das mehrfache tiefe und schnelle Ein- und Ausatmen, das in der Fachsprache auch als
Hyperventilieren bezeichnet wird. Auf diese Weise wird Kohlendioxid vermehrt abgeatmet. Es entfällt damit aber auch ein für das
Atemzentrum entscheidender Reiz. Entgegen weit verbreiteter Annahme wird aber der Sauerstoffgehalt des Blutes nicht entscheidend
verbessert.
Das Risiko der Hyperventilation besteht dahingehend, dass erst nach längerer Zeit das für den Atemantrieb entscheidende Kohlendioxid
wieder ansteigt. Der Sauerstoffmangel stellt auf der anderen Seite nur einen geringen Anreiz zum Atmen dar. Da der Taucher nicht
atmet und auch noch durch die Muskelarbeit Sauerstoff verbraucht, fällt der Sauerstoffgehalt aber weiter und führt zu einer
Sauerstoffmangelsituation des Gehirns. Dies leitet dann eine Bewusstseinstrübung und einen Bewusstseinsverlust ein, was auch
schließlich zum Ertrinken führen kann. Diese Konstellation nennt man auch den Schwimmbad-Blackout. Ursache ist aber eine Täuschung
des Reglers, da die kritische Marke für den Kohlendioxidgehalt bewusst durch die gefährliche Hyperventilation getäuscht worden war.
Daneben kommt es durch die Hyperventilation aber ebenfalls zu einer Abnahme der Wasserstoffionenkonzentration im Blut und damit zu
einem pH-Anstieg (Alkalose), die Muskelkrämpfe verursachen kann, welche durch die Kälte des Wassers noch verstärkt werden. Auch diese
Wirkung kann fatale Konsequenzen nach sich ziehen, wenn das rettende Ufer allzu weit entfernt liegt.
Als Fazit sollten die Kinder immer darauf achten, dass höchstens zwei bis drei tiefe Atemzüge vor dem Tauchversuch ohne Gefahr
durchgeführt werden dürfen und Tauchversuche auch nur unter Sichtkontrolle eines erfahrenen Schwimmers erlaubt sein sollten.
4. Fokus Nr. 3: Temperaturregulation im Wasser
Kleinen „Wasserratten“ ist es in der Regel nicht geläufig, dass die Wärmeleitfähigkeit des Wassers etwa um den Faktor 25 die der Luft
übertrifft, was erhebliche Wärmeverluste nach sich ziehen kann. Vor allem die Kinder mit ihrer relativ großen Körperoberfläche in
Relation zum Volumen vergleichsweise des Erwachsenen und einem geringeren Wärme dämmenden Unterhautfettgewebe kühlen relativ schnell
aus. Als Folge verschlechtert sich die Bewegungskoordination, die ein Erlernen motorischer Formen wie zum Beispiel das Schwimmen
minimiert.
Schwimmunterricht sollte deshalb eine Wassertemperatur von 28°C bei Lufttemperaturen von 30°C - 32°C als Voraussetzung haben.
Die aufgeführten Gefährdungspotentiale sollten im Unterricht vor dem Wassersport in Biologie- und Sportstunden angesprochen und
entsprechend dargestellt werden. Die gewonnenen Kenntnisse können insgesamt dazu beitragen, Risiken im Wassersport zu erkennen und
damit verbundene negative Konsequenzen zu minimieren.
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Priv.-Doz.
Dr.med. Dr.rer.nat. Dr.Sportwiss.
Christoph Raschka
Facharzt für Innere Medizin –
Sportmedizin – Chirotherapie,
Institut für Sportwissenschaften der J.W.Goethe-Universität Frankfurt / Main
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