Gut versichert auf der Klassenfahrtpdf

(aus Heft 4/2013)


Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt sich auch auf Klassenfahrten, hat aber Grenzen. Ein Beitrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Autor: Stefan Boltz


Unfallversicherung

Klassenfahrten gehören für viele Menschen zu ihren schönsten Erinnerungen an die Schulzeit. Für Lehrerinnen und Lehrer bedeuten sie allerdings häufig einen ziemlichen Zusatzaufwand. Reise und Unterkunft müssen organisiert, ein Programm vorbereitet werden. Hinzu kommt die Sorge: Was, wenn einem meiner Schüler etwas zustößt? Immerhin verlässt die Klasse das vertraute schulische Umfeld. Sportliche Aktivitäten bringen eigene Unfallrisiken mit sich. Und mögliche Konflikte treten aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe schneller und heftiger zu Tage.

„Der Versicherungsschutz bei Klassenfahrten ist eine Frage, die uns häufig gestellt wird“, sagt Eberhard Ziegler, Versicherungsexperte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), dem Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Grundsätzlich gilt: Beim Schulbesuch sind Schülerinnen und Schüler gesetzlich unfallversichert. Das gilt auch für die Klassenfahrt, wenn diese von der Schule geplant und durchgeführt wird. Passiert ein Unfall, muss der oder die Verletzte daher innerhalb Deutschlands zum Durchgangsarzt. Die Schule muss zudem eine Unfallanzeige an die zuständige Unfallkasse schicken. Die Unfallkasse übernimmt dann die Kosten für die Heilbehandlung und Rehabilitation. Geschieht der Unfall im Ausland, übernimmt sie auch die Kosten und Organisation des Rücktransports nach Deutschland.

Der Unfallversicherungsschutz hat allerdings Grenzen. Versichert ist nur, was in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule fällt. Tätigkeiten, die überwiegend privaten Bedürfnissen entspringen, sind dagegen nicht versichert. „Genau diese Abgrenzung ist in der Praxis manchmal nicht leicht zu treffen oder für den Laien nicht leicht nachzuvollziehen“, so Ziegler. Zu klären ist also die Frage: Was ist eigentlich der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule?

„Zunächst sind das alle gemeinsamen Aktivitäten, für die der Lehrer die Verantwortung trägt und die er beaufsichtigt“, erklärt Ziegler. Versichert sind also Gemeinschaftsaktivitäten wie Stadtbesichtigungen, Museumsbesuche, Sport, Spiele oder sonstige Zusammenkünfte, zum Beispiel eine Nachtwanderung. Die bloße Anwesenheit des Lehrers genügt dagegen nicht, wie das Beispiel eines Schülers zeigt, der sich beim nächtlichen „Bierbankrodeln“ verletzte. Umgekehrt bedeutet die Abwesenheit des Lehrers nicht, dass kein Versicherungsschutz besteht.

Wenn der Lehrer die Aufsicht an einen zuverlässigen älteren Schüler delegiert, kann das für den Versicherungsschutz ausreichen.

Beispielfall: Im Rahmen einer lehrplanmäßigen Studienreise stand für die Schülerinnen und Schüler an einem Abend der Besuch einer kulturellen Veranstaltung auf dem Programm. Von den Lehrkräften vorgeschlagen wurden ein Konzert-, ein Theater- oder ein Kinobesuch. Entsprechend wurde die Klasse in drei Gruppen aufgeteilt. Die Aufsicht einer Gruppe wurde je einem Schüler übertragen und für alle ein gemeinsamer Treffpunkt nach dem Ende der drei Veranstaltungen festgelegt. Auf dem Rückweg hatte einer der Schüler einen Verkehrsunfall. Er war versichert, denn die abendlichen Aktivitäten gehörten auf Grund der klaren Vorgaben der Lehrkräfte zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule und standen unter Versicherungsschutz.

Nicht versichert sind dagegen rein private Unternehmungen. „Im Prinzip sind das zunächst einmal alle Handlungen, die man auch unabhängig von der Klassenfahrt gemacht hätte“, sagt Versicherungsexperte Ziegler. Dazu zählen Essen, Trinken, Körperpflege, ein Spaziergang oder der Besuch einer Kneipe oder Disco in der freien Zeit. Geschieht hierbei ein Unfall, ist die gesetzliche oder private Krankenkasse der Betroffenen zuständig.

Beispielfall: Bei einer Klassenfahrt kommt eine Klasse früher als geplant in die von ihr bewohnte Jugendherberge zurück. Dadurch bleibt bis zum Abendessen noch einige freie Zeit. Deshalb entschließt sich eine Gruppe von Schülern, in einem benachbarten Sportzentrum Badminton spielen zu gehen. Diese Aktivität entspringt nicht dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Ein dabei eintretender Unfall könnte selbst dann nicht als Schulunfall anerkannt werden, wenn sich auch eine der Lehrkräfte dieser Gruppe angeschlossen hätte.

In der Regel sind private Verrichtungen also nicht versichert. Aber keine Regel ohne Ausnahme. „Schlafen ist beispielsweise eine unversicherte Tätigkeit“, erklärt Ziegler. „Wenn im Hotel, in dem die Klasse untergebracht ist, aber ein Brand ausbricht und die Schüler im Schlaf überrascht werden oder sich auf der Flucht verletzen, dann ist das ein Fall für die Unfallkasse.“

Auch die Einsichtsfähigkeit der Versicherten, insbesondere in die Gefährlichkeit ihres Handelns, kann eine Rolle spielen. „Hier geht in die Bewertung, ob ein Versicherungsfall vorliegt oder nicht, immer auch das Alter und die Entwicklung des Betroffenen ein“, so der Unfallversicherungs-Experte. „Dadurch kann bei einem Kind oder Jugendlichen durchaus ein anderes Ergebnis hinsichtlich des Versicherungsschutzes herauskommen als bei einem jungen Erwachsenen.“ Auch gruppendynamische Prozesse – bei Klassenfahrten ein durchaus erwünschtes Ziel, beispielsweise für die Stärkung des Klassenzusammenhalts – können die rechtliche Bewertung beeinflussen. „Die Begleitumstände eines Unfalls können bei der Beurteilung einen Unterschied machen. Die Unfallkasse benötigt daher eine möglichst genaue Beschreibung davon, aus welcher Situation heraus es zur unfallbringenden Handlung kam und wie sich der Unfall zugetragen hat.“

Beispielfall: Eine Klasse war im dritten Stock einer Pension untergebracht. Abends stritt sich einer der Schüler mit seinen Zimmergenossen. Im Zusammenhang mit dem Streit versuchte der 17-jährige Junge vom Fenster seines Zimmers in das 1,20 Meter entfernte offene Fenster eines der Mädchen-Zimmer zu gelangen. Dabei stürzte er ab und verletzte sich schwer. Ursache des Sturzes war der soziale Zusammenhang und das daraus resultierende „Imponiergehabe“ des Versicherten. Damit war Versicherungsschutz gegeben, auch wenn unter anderen Umständen das Klettern vom Jungen- ins Mädchen-Zimmer unversichert wäre.

Ereignet sich bei einer Klassenfahrt ein Unfall, kommt zur Sorge um den verletzten Schüler auch die Sorge um die persönlichen Folgen. Grundsätzlich gilt hier: Der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung bedeutet für Lehrerinnen und Lehrer, dass sie keine zivilrechtlichen Ansprüche ihrer Schüler fürchten müssen. Die Unfallkasse stellt die Schule und ihr Personal von der Haftung für Unfälle frei.

Eine persönliche Haftung kommt nur unter zwei Voraussetzungen ins Spiel: Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. „In beiden Fällen könnte die Unfallkasse die verantwortlichen Lehrkräfte in Regress nehmen“, sagt Angelika Lehmacher, Regress-Expertin der DGUV. Vorsätzlich handelt, wer seiner Aufsichtspflicht bewusst nicht nachkommt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass ein anderer Schaden dadurch erleidet. Grobe Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn nicht einmal die Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die eigentlich jedem einleuchten würden. Maßstab hierfür ist eine durchschnittlich besonnene, sorgfältige und erfahrene Lehrerin oder Lehrer. Diese Sonderfälle kommen in der Praxis jedoch so gut wie nie vor.

Die gesetzliche Unfallversicherung bietet also auch auf Klassenfahrten umfassenden Schutz. Allerdings ist selbst der beste Versicherungsschutz nur ein schwacher Trost, wenn tatsächlich ein schlimmer Unfall geschieht. „Die beste Versicherung gegen Unglücksfälle ist immer noch eine sorgfältige Vorbereitung“, so Ziegler. „Hierfür bieten die Unfallkassen ihre Beratung an.“

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Informationen

zum Versicherungsschutz sowie zur Unfall- verhütung in der Schule und auf Klassenfahrten gibt es bei der regional zuständigen Unfallkasse.
Welche Unfallkasse das ist, weiß das Schulsekretariat.
Eine Liste der Unfallkassen sortiert nach Bundesländern findet sich im Internet unter
www.dguv.de,
Webcode d1980.

Informationen zur sicheren Gestaltung von Klassenfahrten enthält die Broschüre „Mit der Schulklasse sicher unterwegs“.
Sie steht in der Publikationsdatenbank der DGUV zum Download bereit:
http://
publikationen.dguv.de




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